Leitgedanken der Berufsschulstufe
Einleitung
Diese Konzeption ist zum einen die Dokumentation unserer Arbeit in der Berufsschulstufe, zum anderen zeigt sie die Veränderungen in der Unterrichtsorganisation auf, die in Auseinandersetzung mit dem Bildungsprojekt G entstanden sind. Eine stärkere Individualisierung des Unterrichts und eine intensivere Vernetzung mit der nachschulischen Lebenswelt sind Ergebnisse dieses Prozesses. Es soll eine dynamische Darstellungsform sein, die jederzeit die Veränderungen in der Umsetzung der übergeordneten Zielvorstellung die Integration von Menschen mit Behinderung in alle Bereiche unserer Gesellschaft aufnimmt und transparent macht.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Text nur die männliche Form verwendet. Frauen und Mädchen sind darin selbstverständlich eingeschlossen.
Leitgedanken
Am Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung schließt sich nach Beendigung der Hauptstufe, für die Erfüllung der Berufsschulzeit, die dreijährige Berufsschulstufe an.
Die Berufsschulstufe ist nicht nur Brücke und Orientierungsraum zwischen Schule und dem Leben nach der Schule, sondern auch eine Vorbereitung auf das Leben als Erwachsener. Deswegen sind mit und für die Schüler dieser Stufe Perspektiven für die Beendigung der Schulzeit und den damit verbundenen Übergang in das Erwachsenenleben zu entwickeln. Übergeordnetes Ziel ist es, die Schüler zu befähigen, ein sinnerfülltes Leben in weitgehender Selbständigkeit zu führen. Dazu sind vielfältige Kontakte in der direkten Umgebung wichtig. Kooperationsstrukturen bilden ein Netzwerk für die Belange unserer Schüler in sämtlichen Lebensbereichen.
Der beruflichen Eingliederung steht die soziale Eingliederung gleichwertig gegenüber. Deshalb wurden für die Berufsschulstufe Inhalte und organisatorische Rahmenbedingungen für die Bereiche Arbeit, Wohnen und Freizeit, Identität und Selbstbild sowie Lebensräume entwickelt. Das Konzept der individuellen Lebensplanung für die erwachsen werdenden Schüler wird verstärkt realisiert. Viele Unterrichtsprinzipien und Unterrichtsinhalte, die auch in den vorangegangenen Stufen zu unserem Unterrichtsverständnis gehörten, werden weitergeführt. Hinzu kommt die Vermittlung von Praktika auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Dort können die Schüler Erfahrungen sammeln, die ihnen ihre eigenen Begabungen und Begrenzungen aufzeigen. Diese möglichst breit gefächerten Erfahrungen bilden die Entscheidungsgrundlage für ihre berufliche und soziale Lebensplanung.
Unsere Schüler sind ...
... im Prozess des Erwachsenwerdens und festigen ihre Identität
Für die Unterstützung dieses Prozesses werden Themen aufgegriffen, die mit dem Erwachsenwerden verbunden sind: Wünsche nach eigenen Lebensbereichen, Partnerschaft und Sexualität, Wohnformen, Vorstellungen über Berufswege und Grenzen der eigenen Möglichkeiten.
Dabei soll jeder Schüler die Möglichkeit erhalten, sich zwischen Autonomie und Fremdbestimmung zu positionieren.
Eine persönliche Zukunftsplanung soll die Schüler für ihre eigenen Bedürfnisse sensibilisieren und realistische Möglichkeiten für ihr Leben aufzeigen. In diesem Prozess ist die enge Zusammenarbeit mit den Eltern notwendig. Gespräche zur Lebensplanung mit dem Schüler und seinen Eltern sind in der Berufsschulstufe Grundlage für die Erstellung individueller Förderziele.
Für Schüler mit schwerer geistiger Behinderung oder Mehrfachbehinderung soll Basale Förderung zusätzliche Möglichkeiten zur Teilhabe am Leben eröffnen. Basale Förderung richtet sich v.a. an Schüler, deren Zugang zur Welt personaler Unterstützung bedarf. Dies beinhaltet unmittelbare körpernahe Angebote. Diese sollen dem elementaren Bedürfnis nach Wahrnehmung, Bewegung, Kommunikation und Lernen gerecht werden. Dem Schüler werden Erfahrungen vermittelt, die ihn zur erlebenden und nachahmenden Auseinandersetzung mit sich, seinen Bezugspersonen und mit seiner Umwelt führen. Körperkontakt, Pflege und zuverlässige Bedürfnisbefriedigung sind wichtige Bestandteile der Förderung und Teil der Kommunikation.
Unsere Schüler sind ...
... junge Erwachsene, die Verantwortung in Schule und Gesellschaft übernehmen
Bedürfnissen nach Unabhängigkeit, Eigenverantwortung und Mit-bestimmung gilt es sowohl in der Gestaltung der Schule und des
Schullebens, als auch in der Planung und Organisation von Lernprozessen Rechnung zu tragen.
Die Kommunikation der Schüler untereinander ist wichtig und wird entsprechend unterstützt. Dem zunehmenden Selbstbewusstsein der Schüler und ihrem Bedürfnis nach Eigenständigkeit soll in der unterrichtlichen Arbeit entsprochen werden.
Die Übernahme von Verantwortung und das möglichst selbstbestimmte Handeln sollen das Selbstvertrauen und die Entscheidungskompetenz der Schüler stärken. Je nach den individuellen Voraussetzungen finden diese Prozesse in unterschiedlicher Ausprägung statt. Kritikfähigkeit und das Erlernen von Gesprächskultur ermöglichen es dem Schüler, Veränderungen zu bewirken und sich als mitverantwortlich für Prozesse zu erleben.
In diesem Zusammenhang kommt der Schülermitverantwortung (SMV) eine wichtige Bedeutung zu. Sie soll die betreffenden Schüler befähigen, sich ihren Möglichkeiten entsprechend, am gesamten organisatorischen und inhaltlichen Schulleben zu beteiligen. Das Kennenlernen und Einüben demokratischer Vorgehensweisen ist ein wichtiger Bestandteil für das spätere Erwachsenenleben, z. B. im Werkstattrat, bei politischen Wahlen und bei der Mitgliedschaft in Vereinen bzw. Gruppen.
Unsere Schüler sind ...
... junge Erwachsene, die sich auf die Berufs- und Arbeitswelt vorbereiten
Ein Teil der Schüler der Berufsschulstufe hat beim Eintritt in die Stufe die Fähigkeit entwickelt, überschaubare Arbeitsprozesse für sich selbst und andere zu organisieren. Durch Lern- und Erfahrungsfelder im Bereich Arbeit und Dienstleistung können die Schüler ihre Selbständigkeit ausbauen und arbeits- und beschäftigungsbezogene Kompetenzen entwickeln. Projektorientierter Unterricht stützt bzw. fördert diese Entwicklung.
Die Bindung der Schüler an Personen wird zugunsten von Sach- und Produktbezogenheit zurückgenommen. Die Schüler entwickeln mehr Flexibilität und Eigenständigkeit im Umgang mit Tagesstrukturierung, Gruppensituation und Arbeitsaufträgen. Interessen und Kompetenzen der Schüler werden aufgegriffen und weiterentwickelt. Der Aufbau einer positiven Arbeitshaltung in Verbindung mit dem Erlernen von Schlüsselqualifikationen wie Ausdauer, Genauigkeit, Sorgfalt, Beachtung von Materialwerten, sachgerechter Umgang mit Werkzeugen, das Beachten von Zeitvorgabe u. ä. sind zentrale Voraussetzungen für jegliche berufliche Eingliederung und das Sich-Einfügen in arbeitsteilige und produktorientierte Abläufe. Die Schule stellt für diese Prozesse die unterrichtlich organisatorischen Bedingungen zur Verfügung. Schüler, die schwerer behindert sind, werden im Rahmen ihrer Lernvoraussetzungen und Fähigkeiten mit entsprechender Unterstützung in den Arbeitsprozess miteinbezogen.